3 Fragen an … Michel Mauvilly

Drei Fragen an Michel Mauvilly, SAEF, Schweiz. Seit einigen Jahren führen Michel Mauvilly und seine Kollegen in den Freiburger (Vor-)Alpen Prospektionen durch. Sie sind dabei äusserst erfolgreich und haben über 150 Fundstellen entdeckt: Freilandfundstellen wie auch Abris. Die meisten enthalten Funde aus dem Mesolithikum und der Spätbronzezeit, aber auch andere Epochen sind vorhanden  (Braillard et al. 2003). Der Abri Charmey/Les Arolles wurde schon teils ausgegraben. Auch gräbt Michel Mauvilly den Abri von Arconciel/La Souche im Saanetal bei Fribourg aus (Mauvilly et al. 2007, Mauvilly et al. 2008a, Mauvilly et al. 2008b).

(Am Donnerstag 16.12.2010 wird Michel Mauvilly seine Arbeit in Bern vorstellen.)

Alpine Archäologie: Ihre Suche nach vor allem mesolithischen Fundstellen in den Freiburger Alpen war sehr erfolgreich. Was hat Sie dazu bewogen Prospektion in dieser Region zu machen?

Michel Mauvilly: Anders als beispielsweise in den Kantonen Waadt, Bern, Neuenburg oder Jura, wo die ersten Untersuchungen zum Mesolithikum relativ früh begannen, kam im Kanton Freiburg erst in den letzten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ein echtes Interesse an dieser Epoche auf. Die starke Konzentration der prähistorischen Forschung auf die Seeufer, auf Fürstensitze oder Grabhügel war sicherlich ein Grund für diese Verzögerung. Eine wesentliche Rolle hat aber die grundsätzliche Fehleinschätzung des kantonalen Potenzials an Orten, die Spuren menschlichen Lebens im Mesolithikum aufweisen könnten, gespielt.

Die Grundlagen des aktuellen Forschungsprogramms zu den postglazialen Zivilisationen und zu den natürlichen Abris entstanden so erst Ende der 1980er Jahre, und es dauerte weitere zwanzig Jahre, bis sich diese Untersuchungen etablieren konnten.

Ein neuer Abschnitt der Erforschung der spät- und postglazialen Zivilisationen hat mit der Einrichtung eines interdisziplinären Forschungsprogramms begonnen, das folgende Hauptziele verfolgt:

– die Definition eines landschaftlichen Bezugssystems, das die Diversität der kantonalen Biozonen berücksichtigt

– eine grundlegende Untersuchung der Herkunft der verwendeten Silex-Rohmaterialien (Identifizierung der kantonalen Fundorte, Erstellung einer Steinsammlung, petrographische Studien der exogenen Materialien etc.)

– eine Wissenserweiterung zur prähistorischen Bevölkerung durch eine Intensivierung von Prospektionstätigkeiten in bislang wenig oder nicht erforschten Zonen sowie eine Systematisierung der Prospektionen an Rändern von Niederungen und entlang von Wasserläufen

– die Erfassung der natürlichen Unterstände (Felsblöcke, Höhlungen, Abris etc.) mit Durchführung archäologischer Sondierungen

– die Definition und/oder Neudefinition der kantonalen Steinindustrie (Inventar der Altsammlungen, Auswertungen, Zeichnungen etc.)

– sowie deren Einordnung in einen regionalen und überregionalen Rahmen.

Alpine Archäologie: Ihre Erfolgsrate ist mit über 150 mesolithischen Fundstellen erstaunlich hoch. In anderen Regionen scheint die Fundstellendichte für das Mesolithikum viel kleiner zu sein; manchmal scheinen Regionen sogar leer. In manchen Region könnten z.B. geologische oder Umweltfaktoren dafür verantwortlich sein, dass man mesolithische Fundstellen nicht findet. Denken Sie, dass ihre Methoden und die Erfahrung Ihres Teams auch in anderen Regionen gute Resultate liefern könnten? Könnte es Regionen geben, die tatsächlich nicht besiedelt waren im Mesolithikum?

M. Mauvilly: Im Mesolithikum ist in ganz Europa mit Fundstellen zu rechnen. Mir ist kein Gebiet bekannt, dass erforscht worden ist und keine Fundstellen lieferte. Wenn Wasser vorhanden ist, kann normalerweise mit Fundstellen gerechnet werden, die Vorraussetzung ist natürlich, dass sich Leute, die sich auf diesem Forschungsgebiet gut auskennen, sich mit diesem Gebiet beschäftigen.

Alpine Archäologie: Das Mesolithikum ist im Kanton Freiburg sowohl in den Voralpen wie auch im Mittelland gut erforscht. Mit welchen Forschungsfragen könnten wir mehr lernen über die Interaktion/Beziehungen zwischen (Vor-)Alpen- und Mittelland-Mesolithikum?

M. Mauvilly: Das Bild, das sich über die Verteilung der Fundstellen im Freiburger Gebiet zeichnen lässt, zeigt somit eine Vielfalt an Situationen, während die Frage, ob es ein Muster gab, das für die Wahl eines Ortes massgeblich war, offen bleiben muss. Nur eine bessere Charakterisierung der Eigenschaften von Fundstellen (Art, Dauer der Besiedelung, saisonale Nutzung etc.) wird hier weiterführende Hinweise liefern können.

Wie gezeigt werden konnte, hat unsere Kenntnis des Mesolithikums im Freiburger Gebiet in den letzten zehn Jahren beachtliche Fortschritte gemacht. Dennoch bestehen in mehreren Bereichen noch Forschungslücken.

Naturräumliche Untersuchungen zum Gebirgsraum sind bislang durch einen erheblichen Mangel an Daten erschwert. Das hat in erster Linie eine eingeschränkte Betrachtungsweise der Beziehungen zwischen dem Menschen und seiner Umwelt zur Folge. Rekonstruktionen der umgebenden Rahmenbedingungen in regionalem oder sogar mikroregionalem Massstab, die besonders darauf abzielen, Veränderungen der Umwelt und deren Folgen für Flora und Fauna zu erkennen sowie den menschlichen Einfluss auf das natürliche Milieu festzustellen, müssen in Zukunft eine wichtige Priorität sein. Nur ein interdisziplinäres Programm zwischen Archäologie und Geowissenschaften, das Aspekte wie Chronologie, Umweltgeschichte und Höhenlage berücksichtigt, wird in der Lage sein, auf dieses Desiderat zu antworten.

Die Verfeinerung des chrono-typologischen und chrono-kulturellen Gerüstes stellt eine weitere Achse dar, die künftig zu verfolgen ist. Hierfür werden umfassende Grabungen von verschiedenartigen Fundstellen (Abris, Freilandstationen) aus unterschiedlichem Kontext (Feucht-, Kolluvial-, Kalkböden etc.) nötig sein. Gezielte Untersuchungen und gute Erhaltungsbedingungen, insbesondere der Fauna, sollten es schliesslich ermöglichen, die Subsistenzstrategien der mesolithischen Gruppen besser zu verstehen.

Vielen Dank für Ihren Mitarbeit, Herr Mauvilly!

Literatur

Braillard, L., Menoud, S., Mauvilly, M., Boisaubert, J.-L. & Baeriswyl, J.-M. 2003. Préalpes et chasseurs-cueilleurs en terres fribourgeoises, une vielli et longue histoire … In Cahiers d’Archéologie Fribourgeoise, 5, 42-63.

Mauvilly, M., Blumer, R. & Braillard, L. 2007. La vie au bord de la Sarine au temps des derniers chasseurs-cueilleurs-pêcheurs préhistoriques (9700-5000 av. J.-C.), In Archäologie Schweiz, 30, 2, 2-12.

Mauvilly, M., Dafflon, L. & Mccullough, F. 2008a. L’abri mésolithique d’Arconciel/La Souche: bilan des recherches 2003-2007, In Cahiers d’Archéologie Fribourgeoise, 10, 44-74.

Mauvilly, M., Jeunesse, C. & Doppler, T. 2008b. Ein Tonstempel aus der spätmesolithischen Fundstelle von Arconciel/La Souche (Kanton Freiburg, Schweiz), In Quartär, 55, 151-157.

mhfc

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